Über uns

Allgemeines

 

Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) bildet gemeinsam mit der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen das „Hertie-Zentrum für Neurologie". Das Zentrum wurde mit dem im Jahre 2001 unterzeichneten Vertrag zwischen der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und dem Land Baden-Württemberg, der Universität Tübingen und ihrer medizinischen Fakultät sowie dem Universitätsklinikum Tübingen geschaffen. Die zugrundeliegende Bündelung öffentlicher Ressourcen und privater Stiftermittel ist deutschlandweit einzigartig.

Die Aufgabe des Zentrums besteht einerseits in der Krankenversorgung durch die Neurologische Klinik und andererseits in der wissenschaftlichen Arbeit der am HIH versammelten Neurowissenschaftler. Durch die strukturelle Verflechtung des HIH mit der Neurologischen Klinik wurde eine multifunktionelle Einrichtung geschaffen, die gleichermaßen klinische Hirnforschung, medizinische Behandlung und wissenschaftliche Ausbildung leistet. In der engen Verknüpfung von Forschungsexzellenz und Anwendungspraxis liegt ein Alleinstellungsmerkmal des HIH gegenüber anderen Einrichtungen der Hirnforschung.

Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat seit Gründung des HIH knapp 60 Millionen Euro in das Institut investiert. Die Mittel kommen zugleich einem Reformprojekt zugute: Anstelle der sonst üblichen hierarchischen und partikularistischen Struktur mit isolierten Abteilungen wurde in Tübingen eine interdisziplinäre Organisationsstruktur mit der Bündelung von Ressourcen umgesetzt. Die Mittelvergabe zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen ist flexibel gestaltet. Ein besonderes Anliegen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird eine frühe Verselbständigung in Kleingruppen und eine leistungsorientierte Besoldung ermöglicht.

Das HIH arbeitet eng mit anderen Institutionen und Forschungsgruppen in Tübingen zusammen. Als Teil des seit 2008 durch Bund und Länder geförderten Exzellenz-Clusters „Werner Reichardt Zentrum für Integrative Neurowissenschaften" (CIN) trägt es erfolgreich zu dessen disziplinenübergreifendem Konzept bei. Im Rahmen einer engen Kooperation des HIH mit dem Partnerstandort Tübingen des im Juni 2009 in Bonn gegründeten Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) sollen unter Nutzung modernster Technologien und Ressourcen neue Strategien der Diagnostik, Prävention und Therapie neurodegenerativer Erkrankungen des alternden menschlichen Gehirns, vor allem Parkinson und Alzheimer, entwickelt werden.

Am HIH sind derzeit über 30 Arbeitsgruppen eingerichtet, 24 Professorinnen und Professoren und über 400 Mitarbeitende sorgen für einen reibungslosen Ablauf von klinischer Forschung, Behandlungs- und Ausbildungsarbeit.

Arbeitsschwerpunkte

 

Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung umfasst derzeit die folgenden 6 Abteilungen, wovon die ersten vier an der stationären klinischen Versorgung beteiligt sind: 

  • Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen (Leitung: Prof. Dr. Ulf Ziemann)
  • Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie (Leitung: Prof. Dr. Holger Lerche) 
  • Neurologie mit Schwerpunkt neurodegenerative Erkrankungen 
    (Leitung: Prof. Dr. Thomas Gasser)
  • Neurologie mit interdisziplinären Schwerpunkt Neuroonkologie (Leitung: Prof. Dr. Dr. Ghazaleh Tabatabai)
  • Neuronale Dynamik und Magnetenzephalographie (Leitung: Prof. Dr. Markus Siegel)
  • Zellbiologie neurologischer Erkrankungen (Leitung: Prof. Dr. Mathias Jucker). 

 

Die Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen besitzt ihre Schwerpunkte in der neurovaskulären Medizin (Gefäßerkrankungen des Gehirns, Schlaganfälle), der Neuroimmunologie (z.B. Multiple Sklerose) und der Neurointensivmedizin. Die Abteilung verfügt zur Diagnostik und Therapie dieser Patientengruppen über eine zertifizierte Schlaganfallstation, eine Schwerpunktstation für neuroonkologische und neuroimmunologische Patientinnen und Patienten und eine neurologische Intensivstation in Planung. Zudem bestehen Schwerpunktambulanzen. Die Schwerpunkte der Forschung beschäftigen sich mit Neuroprotektion (Hypothermie, Hyperoxygenierung) beim akuten Schlaganfall, Reorganisation von Netzwerken des Gehirns nach Schlaganfall durch nicht-invasive Hirnstimulation zur Unterstützung der Rehabilitation von Motorik und Sprache, und Therapieforschung bei Hirntumoren (Tumorinitiierung, virale und zellbasierte Therapien).

Die Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie befasst sich vor allem mit Epilepsien und anderen anfallsartigen neurologischen Erkrankungen. Bei diesen Krankheiten kommt es durch angeborene (genetische) oder erworbene Defekte zu einer meist vorübergehenden Veränderung der Erregbarkeit von Nervenzellen. Daraus resultieren neurologische Störungen, die plötzlich auftreten, für Sekunden bis Stunden anhalten und dann wieder verschwinden, wenn der Defekt entsprechend kompensiert werden kann. Patientinnen und Patienten mit solchen Erkrankungen zeigen zwischen den Anfällen oft ein völlig normales Verhalten. Die molekulare und zelluläre Forschung konzentriert sich auf die genetischen Ursachen von Epilepsien sowie auf die Mechanismen, durch die Genmutationen Epilepsien auslösen können. Hier spielen Veränderungen von Ionenkanälen die wichtigste Rolle, die auch für die Behandlung dieser Krankheiten wesentliche Zielstrukturen darstellen. Die klinische Forschung befasst sich v.a. mit der Bildgebung des Gehirns bei anfallsartigen Erkrankungen. 

Die Abteilung für Neurologie mit Schwerpunkt neurodegenerative Erkrankungen verfügt über rund 20 Betten und konzentriert sich in ihrem klinischen Bereich auf neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Ataxien, spastische Spinalparalysen und Demenzen - Krankheiten, bei denen durch fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn Steuerungsfunktionen geschwächt werden oder verloren gehen - sowie auf andere Bewegungsstörungen wie Dystonie und Tremor. Im Bereich der Forschung geht es darum, jenen genetischen Faktoren auf die Spur zu kommen, die für die Entstehung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems verantwortlich sind. Bestimmt werden sollen insbesondere die Gene, die für die Entstehung von Bewegungs- und Koordinationsstörungen (wie sie beispielsweise bei Parkinson auftreten) verantwortlich sind. Aufgedeckt werden sollen außerdem die molekularen Mechanismen, die zur Erkrankung führen. Die genetische Ursachenforschung am HIH hat das Ziel, neue therapeutische Strategien zu entwickeln und auch klinisch zu erproben. 

Seit 2020 hat das HIH eine weitere Abteilung: die Abteilung für Neurologie mit interdisziplinärem Schwerpunkt Neuroonkologie. Geleitet wird sie von Prof. Dr. Dr. Ghazaleh Tabatabai, die damit die erste Frau unter den HIH-Direktoren ist.

Das Ziel der 2020 gegründeten Abteilung für Neuronale Dynamik und Magnetenzephalographie ist es zu erforschen, wie dynamische Interkationen weitverteilter Nervenzellpopulationen Kognition und Verhalten hervorbringen. Wie entstehend aus neuronalen Interaktionen im Gehirn komplexe Prozesse wie Wahrnehmung, das Treffen von Entscheidungen oder motorisches Verhalten? Welche neuronalen Mechanismen koordinieren diese neuronalen Interaktionen, wie werden sie flexibel reguliert und wie sind diese Interaktionen bei Erkrankungen des Gehirns gestört? Um diese Fragen zu beantworten, werden ein interdisziplinärer Mehrskalen-Ansatz verwendet und Verbindungen zwischen Populationsmaßen neuronaler Aktivität und Mechanismen auf der zellulären und Schaltreisebene hergestellt. Hierfür werden  Magnetenzephalographie (MEG) und Elektroenzephalographie (EEG) am Menschen, elektrophysiologische Untersuchungen am Tiermodell, Psychophysik und hochentwickelte analytische Verfahren kombiniert.

Der Fokus der Abteilung für Zellbiologie Neurologischer Erkrankungen liegt auf den zellulären und molekularen Mechanismen von Hirnalterung und altersbedingten neurodegenerativer Erkrankungen. Hierbei konzentriert sich die Forschung insbesondere auf die Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung und anderer zerebraler Amyloidosen. Allein in Deutschland sind mehr als eine Million Menschen von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Die Grundlagenforschung der Abteilung lieferte bahnbrechende Erkenntnisse, unter anderem, dass viele altersbedingte neurodegenerative Erkrankungen durch einen prionenähnlichen Mechanismus ausgelöst werden. Besonders bemerkenswert ist auch das Bestreben der Abteilung, diese Forschungsergebnisse in klinische Studien zu übertragen. Hierfür wurde in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie die Sektion für Demenzforschung aufgebaut, die auch eine Gedächtnissprechstunde anbietet.