Für seine Arbeit hat er eine klare Vision: Um den Weg für neue Therapien zu bahnen, sucht Professor Synofzik nach Genen und Signalwegen hinter verschiedenen Bewegungsstörungen und Demenzen, die als Angriffspunkte für eine Therapie in Frage kommen. Parallel sucht er bei diesen Erkrankungen nach Biomarkern, die den Krankheitsverlauf und das Therapieansprechen abbilden und damit zeigen, ob die Therapie tatsächlich wirkt oder nicht.
Gleichzeitig wird Professor Synofzik weiterhin die entsprechenden Spezialambulanzen an der neurologischen Universitätsklinik in Tübingen leiten und ausbauen. Er betreut damit direkt und intensiv die Patientinnen und Patienten, deren Erkrankungen er erforscht. Das stärkt die Translation am HIH, also den schnellen Transfer von wichtigen Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die klinische Praxis. Bisher hat er eine Forschungsgruppe am HIH geleitet.
Wir haben ihm vier Fragen zu seiner neuen Position gestellt:
Professor Synofzik, Sie haben zugunsten der neugegründeten wissenschaftlich-klinischen Sektion „Translationale Genomik neurodegenerativer Erkrankungen“ auf eine Professur an einer auswärtigen Universität verzichtet. Warum bleiben Sie am HIH?
Kurz gesagt, weil mir das HIH die besten Möglichkeiten bietet, meine inhaltlichen Ziele und Visionen umzusetzen. Meine übergreifende Vision ist es, molekulare Therapiestudien für Patientinnen und Patienten mit genetisch bedingten neurodegenerativen Erkrankungen vorzubereiten. Am HIH finde ich alles, was ich dafür brauche. Die translationale Struktur mit der engen Anbindung an die neurologische Universitätsklinik und den starken Forschungsgruppen im Bereich Neurodegeneration am HIH und am Tübinger NeuroCampus. Ein Netzwerk aus unterstützenden und menschlich überzeugenden Persönlichkeiten auf allen Ebenen. Und: ein Sektionsprofil, das mir die Freiheit gibt, den Fokus vollständig auf die inhaltliche Umsetzung dieser Ziele und Visionen zu legen.
Die ins Leben gerufene Sektion steht für ein neues Modell: Keine weitreichenden klinischen Verpflichtungen, aber die Betreuung der Patientinnen und Patienten, deren Erkrankungen erforscht werden. Was interessiert Sie an diesem Modell?
Das Innovative daran ist der andere Fokus – weg von einer breiten klinischen Versorgung hin zu einer hochspezifischen, auf die genetischen Grundlagen der individuellen neurodegenerativen Erkrankung zugeschnittenen Forschung und Betreuung mit dem klaren Ziel, spezifische Therapiestudien vorzubereiten. Bislang gibt es für die seltenen neurodegenerativen Erkrankungen noch keine an den Ursachen ansetzenden Behandlungen. Dabei öffnet gerade das Wissen um die genetischen Grundlagen dieser Erkrankungen eine genuine Möglichkeit für eine individuell zugeschnittene Präzisionsmedizin. Für diese zukunftsweisende Medizin stehen wir am HIH. Es begeistert mich, dass ich daran teilhaben kann und meine Forschung und die Betreuung der Kranken mit komplexen neurodegenerativen Erkrankungen unmittelbar miteinander verbinden kann. Das ist schon etwas ganz Besonderes.
Welche wissenschaftlichen Schwerpunkte werden Sie als neuer Sektionsleiter am HIH setzen?
In meiner Sektion geht es um eine translationale Pipeline zur Vorbereitung von Therapiestudien. Wir suchen zuerst mit den neuesten Genom-Technologien nach molekularen Signaturen, die für die jeweilige neurodegenerative Erkrankung typisch sind. Wir nennen diesen Schwerpunkt „Next-Generation Genomik“. Im nächsten Schritt identifizieren wir spezifische Biomarker, mit denen der Krankheitsverlauf und das Ansprechen auf eine mögliche Therapie verfolgt werden können. Dies ist unser Schwerpunkt „Fluid Biomarker“. Wir verwenden zudem ergänzend auch Sensoren, mit denen wir charakteristische Maße für Körperbewegungen wie Gehen, Stehen und Feinmotorik oder auch das Sprechen ableiten können. Damit wollen wir das Fortschreiten der Erkrankung oder ein mögliches Therapieansprechen auch funktional erfassen. Das ist unser Schwerpunkt „Digital Motor Biomarkers“. Die molekularen und digital-motorischen Biomarker bringen wir dann zusammen mit den klinisch-neurologischen Verlaufsparametern in große weltweite Längsschnittstudien zum natürlichen Krankheitsverlauf ein, die direkt zur Planung von maßgeschneiderten Therapiestudien herangezogen werden. Wir nennen diesen Schwerpunkt „Multi-Center Natural History Trials“. Je nach Erkrankung befinden wir uns auf unterschiedlichen Stufen dieser Pipeline. Mein Ziel ist es, möglichst viele neurodegenerative Erkrankungen auf dieser translationalen Pipeline bis zur molekularen Therapiestudie voranzubringen.
Wo sehen Sie die Zukunft Ihres Arbeitsgebietes? Was werden wir in fünf oder zehn Jahren über diese seltenen erblich bedingten neurologischen Erkrankungen wissen und wird es wirksame Therapien geben?
Die klare Zielsetzung, und auch mein persönlicher Anspruch ist, in fünf Jahren die ersten maßgeschneiderten Therapiestudien für genetisch stratifizierte neurodegenerative Erkrankungen erfolgreich beendet zu haben. Ich weiß, dass das sehr ambitioniert ist, aber ich denke, dass das für ausgewählte genetische Ataxien und für ausgewählte Demenzen, wie zum Bespiel die Frontotemporale Demenz möglich sein sollte. In zehn Jahren werden diese Therapien dann noch effektiver und weiter verbreitet sein. Zudem werden wir dann für weitere neurodegenerative Erkrankungen entsprechende Therapiestudien erfolgreich abgeschlossen haben.
Copyright: Akshay Markanday
Kontakt :
Prof. Dr. Matthis Synofzik
Zentrum für Neurologie und Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Hoppe-Seyler-Str.3
72076 Tübingen
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matthis.synofzik@uni-tuebingen.de
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