HIH News

Tag der Seltenen Erkrankungen 29.02.2024

Am HIH forschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu verschiedenen seltenen Erkrankungen - lesen Sie hier beispielhaft mehr über PCH2, die Pontocerebelläre Hypoplasie Typ 2, und einen in Europa einzigartigen Heilversuch.

Die Pontocerebelläre Hypoplasie Typ 2 (PCH2) ist eine sehr schwere neurologische Entwicklungsstörung bei Kindern. Sie wird durch einen einzigen vertauschten DNA-Baustein verursacht. Die winzige Genveränderung, die nur bei etwa einem von einer Millionen Menschen auftritt, bedingt eine Störung der Entwicklung bestimmter Hirnareale, die zu erheblichen Einschränkungen der psychomotorischen Entwicklung führt. Die meisten betroffenen Kinder sterben, noch bevor sie das Jugendalter erreichen.

Prof. Simone Mayer, Leiterin der Forschungsgruppe „Molekulare Hirnentwicklung“ forscht gemeinsam mit ihrem Team am HIH an Hirnorganoiden, die aus gespendeten Hautzellen von PCH2a-betroffenen Kindern erzeugt werden. Diese Gewebestrukturen können außerhalb des menschlichen Körpers dreidimensional wachsen und die zelluläre Architektur sowie bestimmte funktionale Aspekte von Gehirnarealen imitieren. Hirnorganoide gewähren Forschenden somit Einblicke in die frühe Gehirnentwicklung und die Entstehung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Zudem ermöglichen sie die Untersuchung der Effekte von Medikamenten, Giftstoffen, Keimen oder Viren sowie genetischer Variabilität auf menschliche Gehirnzellen und die Gehirnentwicklung.

Erfahren Sie hier mehr über die Forschung von Prof. Mayer


Prof. Matthis Synofzik, Leiter der Sektion „Translationale Genomik neurodegenerativer Erkrankungen“ am HIH, leitet einen ganz besonderen Heilversuch am Tübinger Hertie-Zentrum für Neurologie: 
Erstmals in Europa wird eine genbasierte Therapie verabreicht, die speziell auf den individuellen Genfehler eines 5-jährigen Kindes maßgeschneidert wurde. Der 5-jährige Poyraz leidet an Ataxia telangiectasia, einer sehr seltenen und schweren Erkrankung, die mit einem fortschreitenden Verlust der Geh- und Stehfähigkeit einhergeht.
Grund für die Erkrankung ist eine angeborene Veränderung eines Gens, eine sogenannte Mutation. Durch die Mutation können Zellen ein bestimmtes Gen nicht mehr richtig „ablesen“. „Das löst eine ganze Abfolge an fehlerhaften Vorgängen in den Zellen aus, an deren Ende der Zelltod steht. Bislang gibt es keine Therapie, die an der Ursache der Erkrankung ansetzt“, erklärt Prof. Matthis Synofzik.

Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam schlägt Synofzik einen innovativen Weg ein. Im Reagenzglas stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogenannte Antisense-Oligonukleotide, kurz ASO, her. Dabei handelt es sich um kurze RNA-Stückchen. Die Forschenden haben sie so kreiert, dass sie sich genau über die mutierte Stelle im Erbgut des Patienten legen können. Dadurch können die Zellen das Gen wieder korrekt ablesen und das wichtige Eiweiß wird in normalem Umfang hergestellt. 
„Dieser maßgeschneiderte, hochindividualisierte Ansatz ist revolutionär in der Medizin“, so Synofzik.

Erfahren Sie hier mehr über die Forschung von Prof. Synofzik